Eine Scheidung bringt nicht nur Fragen und Probleme persönlicher Art mit sich, sondern auch solche rechtlicher Art, insbesondere wenn es sich um eine grenzübergreifende Ehe handelt. Im Folgenden sollen das deutsche und polnische Scheidungsrecht verglichen werden, sodass Betroffene eine informierte Entscheidung darüber treffen können, in welchem Land sie im Falle einer Wahlmöglichkeit die Scheidung einreichen sollten.
Es gibt einige erhebliche Unterschiede zwischen dem deutschen und polnischen Scheidungsrecht. Der wichtigste ist die Relevanz der Schuldfrage. In Deutschland wurde 1977 das Schuldprinzip abgeschafft. Seitdem gilt das so genannte Zerrüttungsprinzip. Dieses besagt, dass die Ehe geschieden werden kann, sobald sie gescheitert ist, also keine Lebensgemeinschaft mehr besteht (§ 1565 BGB). In Polen ist dies ebenfalls eine Scheidungsvoraussetzung (Art. 56 des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzes, im Weiteren als KRiO bezeichnet). Allerdings spielt im Gegensatz zu Deutschland meist auch die Frage eine Rolle, welcher Ehepartner Schuld am Scheitern der Ehe trägt. Grundsätzlich hat das Gericht diese Frage zu entscheiden, es sei denn, beide Eheleute beantragen den Verzicht auf die Schuldzuweisung (Art. 57 § 2 KRiO). Folgen hat die Schuldzuweisung beispielsweise für den Unterhaltsanspruch. Wer laut dem Gericht alleinige Schuld am Scheitern der Ehe hat, erhält keinen Unterhalt. Der nicht allein schuldige geschiedene Ehegatte kann hingegen nach Art. 60 § 1 KRiO Unterhalt vom geschiedenen Ehepartner verlangen. Die Höhe hängt von der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und den finanziellen Möglichkeiten des Unterhaltsverpflichteten ab. Darüber hinaus besagt Artikel 60 § 2 KriO: „wurde einer der Ehegatten an der Zerrüttung des ehelichen Zusammenlebens allein schuldig gesprochen und verschlechtert sich durch die Scheidung die Lage des anderen Ehegatten wesentlich, so kann das Gericht auf Antrag des unschuldigen Ehegatten entscheiden, dass der schuldige Ehegatte verpflichtet ist, entsprechend einen Beitrag zur Sicherung der gerechtfertigten Bedürfnisse des nicht schuldigen Ehegatten zu leisten, auch wenn der nicht bedürftig ist.“
Ein weiterer Unterschied ist, dass das polnische Gericht anders als in Deutschland von Amts wegen über diverse Scheidungsfolgen urteilt (Art. 58 KRiO), so beispielsweise über das elterliche Sorgerecht, wenn die Eheleute Kinder haben, die Nutzung der gemeinsamen Wohnung im Falle des Zusammenlebens, die Höhe des besagten Unterhaltsanspruchs für Kinder und über die Art des Umgangs der Eltern mit den Kindern nach der Scheidung. In Deutschland wird in der Regel nur über den Versorgungsausgleich entschieden. Dieses dem polnischen Recht unbekannte Institut verteilt Versorgungsanrechte wie beispielsweise Rentenansprüche, die während der Ehe erworben wurde, gleichmäßig auf beide Partner.
Unter Umständen kann eine Scheidung auch nach polnischem Recht unzulässig sein, nach deutschem Recht hingegen zulässig. So bestimmt der viel kritisierte Art. 56 § 3 KRiO des polnischen Familien- und Vormundschaftsgesetzes nämlich, dass die Scheidung nicht möglich ist, wenn sie vom allein schuldigen Ehepartner angestrebt wird und der andere Partner nicht zustimmt. In Deutschland ist hingegen ausreichend, dass die Ehe gescheitert ist, sie kann also auch gegen den erklärten Willen eines Ehepartners geschieden werden.
Es macht also einen großen Unterschied, ob die Scheidung in Polen oder Deutschland eingereicht wird und welches Recht entsprechend anwendbar ist. Wer eine Scheidung wünscht, sollte sich deshalb anwaltlich beraten lassen.